Ich hatte den Kopf noch gar nicht auf dem Kissen, als ich schon eingeschlafen war.
Und ich träumte.
Ich träumte oft.
Es war der Traum, den ich immer hatte.
Ich war allein. Niemand war weit und breit. Ich lief eine Straße entlang.
Überall war dichter Nebel. Ich konnte die Hand kaum vor Augen sehen. Meine Haut war feucht, die Haare hingen mir klamm ins Gesicht. Und mir war kalt. So bitterkalt.
Dumpf drang der Klang meiner Schritte zu mir hinauf. Ich hörte meinen eigenen Atem. Er kam gequält und stoßweise.
Ich wurde verfolgt.
Nein, ich wurde regelrecht gehetzt, von etwas unaussprechlich Bösem.
Ich fing an zu rennen. Immer schneller. Mein Herz schlug rasend. Ich bekam kaum Luft.
Wiederholt blickte ich mich um, ohne etwas zu erkennen. Nur das Gefühl war da. Dieses Gefühl, beobachtet zu werden.
Schließlich tauchte vor mir ein großes Tor aus dem Dunst auf. Ein altes schmiedeeisernes Tor, wie man es bei Einfahrten von Herrenhäusern oder Schlössern sieht.
Ich hetzte darauf zu und erreichte es mit letzter Kraft.
Fast verrückt vor Angst versuchte ich, es zu öffnen. Ich rüttelte daran, drückte den Griff mit aller Kraft nach unten, doch die Tür bewegte sich keinen Millimeter. Ich wollte schreien, aber ich blieb stumm. Kein Ton drang aus meiner Kehle.
Hoffnungsloses Grauen überwältigte mich. Mein einziger Fluchtweg war verschlossen, und ich hatte den Schlüssel nicht. Es gab für mich kein Entrinnen und keine Rettung.
Hier würde ich sterben.
Ich blickte zurück und glaubte, etwas im Nebel zu erkennen. Etwas, das auf mich zukam – näher und immer näher.
Nein! – Zorn schoss in mir hoch und ich schnellte herum, die Arme erhoben, die Hände zu Fäusten geballt, sprungbereit, um mich der Gefahr zu stellen.
Was ich sah, war nur der dichte Dunst, und dann erschien eine helle Gestalt, die sich unaufhaltsam aus den Schwaden schälte. Gleich würde sie mich erreichen, nach mir greifen und mir den Tod bringen, dessen war ich mir sicher…
Der Blick in den Nebel war immer das Letzte, was ich bewusst wahrnahm, bevor ich aufwachte.
Ich schreckte immer so auf: Schweißgebadet und panisch nach Atem ringend, aber auch wütend und fest entschlossen, um mein Leben zu kämpfen.
Aber ich hatte noch nie jemandem davon erzählt.
(Auszug aus Lilith. Für ein Ende der Ewigkeit – Lilith-Saga 1)